Auf den Wegeflächen des Rathausparks finden Sie 22 eichenblattförmige Steinplatten mit wichtigen Ereignissen der Scheeßeler Geschichte in Kurzform. Die ausführlichen Informationen zu den Stationen im Geschichtspfad sind nachfolgend chronologisch aufgelistet:
805
Im sogenannten „Diedenhofener Kapitular“ Karls des Großen aus dem Jahre 805 wird ein Ort „Scesla“ erwähnt, der bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts für die erste urkundliche Erwähnung Scheeßels gehalten wurde. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen sprechen deutlich gegen diese Annahme. „Scesla“ wird im Kontext anderer Handelsorte mit den Slawen in einer Linie von Bardowik bis Erfurt genannt, passt also geographisch nicht in diese Linie. Außerdem fehlen archäologische Hinweise auf einen Handelsort, etwa Münzen der karolingischen Zeit.
Sicher ist aber, dass es in der Gegend des heutigen Scheeßel bereits seit der jüngeren Steinzeit (s. zahlreiche Grabhügel wie z.B. im Mühlenholz, im Amtsvogteipark oder am Schwarzen Kampweg) menschliche Siedlungen gab.
1205
Erste gesicherte urkundliche Erwähnung Scheeßels als „Scesle“ in einer Urkunde des Bischofs von Verden. Scheeßel ist Archidiakonat (heute würden wir sagen Superintendentur) des Bistums, also ein wichtiger kirchlicher und weltlicher Ort, hatte die Kirche doch im Mittelalter immer auch weltliche Macht.
1507
Einer Sage nach gab es in Scheeßel während des Mittelalters eine Mühle in der Nähe der Kirche an der Beeke. Diese soll als Strafe für einen „bösen“ Müller weggeschwemmt worden sein. Wahrscheinlicher scheint, dass der Standort der heutigen Wassermühle an der Wümme günstiger als der an der Beeke war und dass deshalb die Mühle an der Beeke abgerissen wurde. Die Mühle am heutigen Standort befindet sich seit 1507 im Besitz der Familie Müller (-Scheeßel), war bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts in Betrieb und ist seit 2003 Museumsmühle. Zur Mühle gehörten in ihrer Blütezeit im 19. Jahrhundert auch eine Ölmühle und ein Sägewerk.
1567
Das Bistum Verden wurde erst im Jahr 1567, also sehr spät, unter Bischof Eberhard von Holle reformiert. Seit dieser Zeit gehört Scheeßel mit einer kurzen Unterbrechung während des 30jährigen Krieges der protestantischen lutherischen Kirche an und hat dementsprechend protestantische Pfarrer.
1590
In den lutherischen Kirchen wurde die Predigt anstatt in Lateinisch in Deutsch gehalten. Luther hatte die Bibel ins Deutsche übersetzt. Für jeden Gläubigen sollte sie das wichtigste aller Bücher sein. Die Menschen mussten also Lesen lernen, und deshalb gründete die protestantische Kirche Schulen. Bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts übrigens unterstanden unsere Volksschulen der kirchlichen Schulaufsicht.
1626
Während des 30jährigen Krieges (1618 – 1648) stießen katholische Truppen unter General Tilly bis in den protestantischen Norden vor und plünderten u.a. auch Scheeßel. Kirche, Pfarrhaus und Scheeßeler Mühle wurden erheblich beschädigt. Für kurze Zeit wurde Scheeßel wieder katholisch.
1664
In Westeresch wurden Mette (Mutter) und Margarethe (Tochter) Meinken von einer Nachbarin alle möglichen schlimmen Dinge unterstellt. Ehemann Meinken beschwerte sich darüber beim Amtsvogt in Scheeßel in der Absicht, dass die Nachbarin ihre üble Nachrede einstelle. Er erreichte jedoch das Gegenteil: Gegen seine Frau und seine Tochter wurde vom Amt in Rotenburg Klage wegen Hexerei erhoben. Nach langem Prozess mit Gutachten der Universitäten Rinteln und Helmstedt wurden beide Frauen verurteilt. Mette erhängte sich in ihrem Verließ auf der Burg in Rotenburg, Margarethe wurde im September 1664 in Rotenburg mit dem Schwert hingerichtet.
1648 – 1715
Nach den Friedensschlüssen von Osnabrück und Münster, mit denen der 30-jährige Krieg 1648 endete, bekam Schweden, das auf protestantischer Seite eine der wichtigsten kämpfenden Mächte war, die ehemaligen Bistümer Bremen und Verden als Herzogtümer Bremen-Verden zugesprochen. Hauptstadt war Stade, wo z.B. das Rathaus, das Zeughaus und der Schwedenspeicher an diese Zeit erinnern. In Zeven erinnert das Christinenhaus an die gleichnamige schwedische Königin.
1715
Im Nordischen Krieg (1700 – 1721) verlor Schweden im Krieg gegen Russland, Dänemark, Norwegen, Polen und Sachsen seine Großmachtstellung. Die Herzogtümer Bremen-Verden waren nicht mehr zu halten und gingen 1715 durch Kauf an das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg. Da Kurfürst Georg seit 1714 in Personalunion als Georg I. König von Großbritannien geworden war, waren die Herzogtümer Bremen-Verden nun Teil des britischen Reiches.
1758
Die alte Kirche Scheeßels war baufällig und für das große Kirchspiel zu klein geworden. Außerdem hatte Scheeßel seit 1749 mit Pastor von Finckh einen nicht nur standesbewussten sondern auf Präsentation bedachten umtriebigen Geistlichen. Er setzte den Bau gegen teils heftigen Widerstand der Gemeinde durch und finanzierte ihn im Wesentlichen durch den Verkauf von Kirchenstühlen, also festen Sitzplätzen, an die Gemeindeglieder. Die Wohlhabenderen leisteten sich z.T. prächtig ausgestaltete Stühle, die Masse begnügte sich mit Namensschildern in den Bänken, für die Ärmeren blieben die schlechteren oder Stehplätze. Erst mit der Renovierung der Kirche 1955 wurde das Kirchenstuhlrecht aufgehoben.
1810 – 1814
Mit einer kurzen Unterbrechung durch preußische Besetzung 1806 steht unsere Region von 1803 – 1814 unter französischem Einfluss. 1810 wurde sie Teil des Königreichs Westphalen unter der Regentschaft von Napoleons Bruder Jerome und von Ende 1810/Anfang 1811 - 1814 Teil Frankreichs unter direkter Herrschaft Kaiser Napoleons. Napoleon hinterließ in unserer Region eine besonders deutliche Spur. Die Trasse der heutigen B 75 wurde in dieser Zeit angelegt („Napoleon-Chaussee“).
Während der Freiheitskriege gegen Napoleon 1813/14 wogten die Auseinandersetzungen zwischen Hamburg und Bremen hin und her. Die Bevölkerung litt unter den häufigen Einquartierungen von Soldaten unterschiedlichster Herkunft, die nicht nur beherbergt sondern auch verpflegt werden mussten.
Auf dem Wiener Kongress wurde das Kurfürstentum Hannover 1814 zum Königreich erhoben.
1874
Nach jahrelangen Verhandlungen und Auseinandersetzungen um den Verlauf einer zwischen Bremen und Hamburg anzulegenden Eisenbahnstrecke bekam die Variante mit Scheeßel als Bahnstation den Zuschlag. Das war eine wesentliche Voraussetzung für Scheeßels weitere wirtschaftliche Entwicklung und sein Bevölkerungswachstum.
1876
In unserem Raum gab es 1876 bereits Sparkassen in Rotenburg und Zeven. Trotzdem fanden sich selbstbewusste Scheeßel Bürger, die eine eigene Sparkasse zur Profilierung gegenüber der benachbarten Kreisstadt und für die wirtschaftliche Entwicklung Scheeßels für notwendig und geeignet hielten. Mühlenbesitzer Wilhelm Cord Müller und Apotheker Adolf von Roden waren die treibenden Kräfte. Müller war bis 1913 Vorstandsvorsitzender und machte sich einen Namen auch als Begründer und langjähriger Vorsitzender des Hannoverschen Sparkassenverbandes.
Alle bisherigen Versuche, die Scheeßeler Sparkasse in einer größeren aufgehen zu lassen, sind gescheitert.
1904 / 1905
Mit der zunehmenden Industrialisierung drohten altes Handwerk und Brauchtum unterzugehen. Die niedersächsische Heimatbewegung versuchte diesen Trend aufzuhalten und Altes, gegebenenfalls in modernisiertem Gewand, zu bewahren. Ein Vertreter dieser Bewegung war der in Scheeßel geborene Maler Ernst Müller-Scheeßel, der sich in Bremen im Verein Niedersachsen mit Gleichgesinnten dieser Idee verschrieben hatte. Sie waren die Initiatoren des ersten niedersächsischen Trachtenfestes 1904 in Scheeßel, das in dem damals 1.200 Einwohner zählenden Scheeßel mit mehr als 10.000 Besuchern ein Riesenerfolg wurde.
Ein Jahr später, 1905, gründete der Bremer Verein Niedersachsen in Scheeßel einen Zweigverein, unseren heutigen Heimatverein.
1939 – 1945
Zweiter Weltkrieg: Alle Menschen in Deutschland litten je länger der Krieg dauerte. Die Menschen in den großen Städten aber mehr als die auf dem Land, die im Westen und Süden Deutschlands weniger als die im Osten. Scheeßels Bürger beklagten wie überall im Reich die zunehmende Zahl im Kriege gefallener Mitbürger. Aber sie hatten in der Regel genug zu essen und blieben von Bombenangriffen verschont. Erst gegen Ende spürte man auch in Scheeßel die schrecklichen Folgen des Krieges direkter. Nach den Bombenangriffen auf Hamburg Ende Juli 1943 wurden viele Hamburger, die ihr Leben gerettet, aber ihre Wohnungen verloren hatten, auf dem Lande und so auch in Scheeßel untergebracht. Als dann ab Februar 1945 Flüchtlinge aus dem Osten Deutschlands eintrafen, wurde es in den Häusern noch enger. Scheeßel hatte 1939 etwa 2.500 Einwohner, 1946 waren es 4.600.
Am 20. April 1945 schließlich besetzten englische Truppen von Westervesede herkommend kampflos unseren Ort. Bürgermeister Schröder war der englischen Panzerspitze auf dem Fahrrad mit weißer Fahne entgegengefahren. Nur in Wohlsdorf gab es noch heftige Kämpfe, in deren Folge ein großer Teil des Dorfes abbrannte.
ab 1943 / 1951
Ab Juli 1943 (Ausgebombte aus den großen Städten) und dann vermehrt ab Februar 1945 (Flüchtlinge aus dem Osten) wuchs die Bevölkerung Scheeßels sprunghaft von 2.500 (1939) auf 4.600 (1946), ohne dass zusätzlicher Wohnraum geschaffen wurde. Für die Flüchtlinge, aber auch für die Einheimischen war das keine leichte Situation, die zu mannigfaltigen Konflikten führte. Die Situation zu entspannen, brauchte Zeit. Ein Mittel war die Schaffung neuen Wohnraums. Die Ostlandsiedlung, die mit vielen Eigenleistungen der Flüchtlinge ab 1951 errichtet wurde, war eine solche Maßnahme, die aber auch den Nachteil hatte, Flüchtlinge weit draußen von der einheimischen Bevölkerung getrennt unterzubringen.
Es dauerte, bis ein erster Flüchtling Kirchenvorsteher wurde oder bis es erste Ehen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen gab.
1947
Flüchtlingen und Einheimischen war leidvoll bewusst geworden, dass man im und durch den Krieg alle materiellen Güter verlieren kann, das, was man einmal gelernt hat, nicht. Die Nachfrage nach gediegener Schulbildung war gewachsen. Gymnasien aber gab es erst in Verden, Bremen, Harburg oder Stade. So taten sich in Scheeßel weitsichtige und wagemutige einheimische und Flüchtlingsfamilien zusammen und gründeten im Wohnhaus der Scheeßeler Mühle zum 1. Mai 1947 eine Familienschule, aus der im November 1948 das Gymnasium Eichenschule Scheeßel in genossenschaftlicher Trägerschaft hervorging.
In Niedersachsen gab es viele solcher Schulgründungen nach dem Krieg. Sie sind fast ausnahmslos längst in staatliche Trägerschaft übergegangen oder ganz verschwunden. Die Eichenschule dagegen entwickelte sich zu einem angesehenen Gymnasium mit mehr als 1.000 Schülerinnen und Schülern.
1973 / 1997
Das Hurricane-Festival auf dem Eichenring hatte seine Vorläufer in den 1970er Jahren. Nach einem Rockfestival 1973 wurde 1977 ein neuer Versuch gestartet, der in einem organisatorischen Chaos endete, das bundesweit Schlagzeilen machte. Bands bekamen ihre Gage nicht, traten deshalb nicht auf, verantwortliche Organisatoren machten sich aus dem Staub, die aufgebrachten Zuschauer fackelten die Bühne ab und plünderten Getränkecontainer. Gemeindedirektor Hellwig gab zu Protokoll, solange er in Scheeßel zu entscheiden habe, würde es kein Festival mehr geben. Hellwig trat 1994 ab und 1997 machte man mit dem Veranstalter FKP-Scorpio einen neuen und nun von Erfolg gekrönten Versuch.
1973
Der seit Jahrhunderten in Familienbesitz befindliche Meyerhof wurde von der Gemeinde gekauft. Er dient als Kultur- und Begegnungsstätte für repräsentative Veranstaltungen der Gemeinde und von Vereinen sowie als Standesamt. Zusammen mit dem Kunstgewerbehaus, dem Weberhaus, dem Blaudruckspeicher, einem Häuslingshaus und einem Schafstall bildet er den Mittelpunkt eines ansehnlichen bäuerlichen Gebäudeensembles des 19. Jahrhunderts. Die Nebengebäude werden vom Heimatverein genutzt und unterhalten.
1974
Das Weltmeisterschaftsfinale der Sandbahnfahrer auf der Langbahn des Eichenrings bildet den Höhepunkt in der Geschichte der Scheeßeler Sandbahnrennen. Gut 20.000 Zuschauer zog dieses Ereignis an in einer Zeit, in der von solchen Sportveranstaltungen noch im Fernsehen berichtet wurde. Diese Zeiten sind leider vorbei, aber Meisterschafts-Rennen finden immer noch statt.
Ohne den Eichenring gäbe es wohl kein Hurricane-Festival, für das das Gelände bestens geeignet ist.
1974
Nach einer kurzen Phase als Samtgemeinde wurde Scheeßel mit Wirkung zum 1.3.1974 eine Einheitsgemeinde, deren Geschicke zentral für alle zu ihr gehörenden Ortschaften vom Gemeinderat und Rathaus geregelt werden. Die einzelnen Ortschaften haben im Rahmen von Ortsräten und Ortsbürgermeistern eigene abgestufte Befugnisse. Der Beschluss von 1974 war daher umstritten und hatte die Gemeindepolitik über viele Jahre belastet.
1955 / 2005
Zweimal, 1955 und 2005, hat die Gemeinde unter Zugrundelegung des vermeintlichen Gründungsdatums von 805 Jubiläumsfeste gefeiert. 1955 wusste man noch nicht, dass das Jahr 805 als Gründungsdatum für Scheeßel nicht zu halten ist. 2005 hat man in dem Wissen gefeiert, dass 805 in Scheeßel mit Sicherheit schon Menschen gelebt haben, auch wenn es dafür außer archäologischen Funden keinen urkundlichen Beleg gibt.